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Australische Tauchodyssee – vom Great Barrier Reef zum Tasmanischen Meer


Nach einigen Startverzögerungen am Düsseldorfer Flughafen und einem 24 stündigen Flug bin ich nun endlich in Cairns angekommen und werde trotz bewölktem Himmel bei 33°C und tropischer Luftfeuchtigkeit vom australischen Spätsommer willkommen geheißen. Es stehen mir jetzt 2 Monate voller Überraschungen und Ungewissheit bevor, die ich mit allerlei Abenteuer zu füllen gedenke. Frohen Mutes schwinge ich mir meinen Rucksack auf die Schultern und lasse mich vom Flughafen ins Innere der Stadt Cairns bringen, wo ich in einem kleinen und persönlichem Hostel Unterschlupf für die nächsten Tage finden sollte. Natürlich steht nicht nur tauchen auf dem Plan, aber auf jeden Fall sollte das ein Großteil meiner zweimonatigen Backpackertour an der australischen Ostküste sein. Da meine Tour in Cairns beginnt, die Touristenhochburg fürs Tauchen am Great Barrier Reef (GBR), erhoffe ich mir eine Anstellung auf einem der Tauchboote, die täglich ans Riff fahren, um mir so für ein bisschen Arbeit günstige Tauchgänge zu ermöglichen. Ich klapper also so schnell wie möglich alle Tauchbasen ab und erhalte tatsächlich die Möglichkeit, auf dem Catamaren des Cairns Dive Center (CDC → Giglio lässt grüßen [Campese Dive Center]) für eine Woche als Kombüsen- und Kajütenjunge für alles zu arbeiten – unter der Voraussetzung, dass ich zuvor eine dreitägige Tauchtour als zahlender Gast mitgemacht habe. Natürlich schlage ich ein, unterschreibe die Arbeitspapiere und freue mich, das GBR zunächst aus der Sicht eines Touristen zu sehen. 2 Tage später werde ich morgens abgeholt und mit anderen Tauchtouristen zum Hafen gebracht, wo wir morgens um 7 Uhr darauf warten, dass das zweite Catamaran, welches als Tagesboot und „Taxi“ zum GBR dient, uns abholt. Bis zu diesem Tage habe ich mit dem Wetter Glück gehabt, der Himmel ist zwar häufig bewölkt, aber für mehr als ein Donnern hat es nicht gereicht und die schweißtreibenden Temperaturen von über 35° haben schon dafür gesorgt, dass die Sonnencreme im Gesicht zerflossen ist. An diesem frühen Morgen hängen die Wolken jedenfalls noch sehr tief und liebkosen die Bergspitzen des Regenwaldes in ihrer sanften Umarmung. Das Boot legt ab und ich frage mich, wie das Wetter zwei Stunden weiter auf offener See wohl sein mag. Wie als Antwort darauf, fängt es bald an kräftig zu regnen; die Regenzeit hat uns eingeholt und zwingt uns, im Inneren Unterschlupf zu suchen und aus den Fenster nach Löchern in der Wolkendecke zu suchen. Scheinbar sollte dies aber nur eine Warnung gewesen sein, denn kaum kommen wir am Ziel an um uns fertig zu machen um auf das zweite Boot transferiert zu werden, hat es schon wieder aufgehört und die Sonne zeigt sich uns. Wir werden empfangen, erhalten ein Sicherheitsbriefing und werden in die Kajüten eingeteilt, bevor es nach dem Kennenlernen zu einem Rudel-Checktauchgang in Wasser geht.

Den zweiten Tauchgang dürfen wir in eigenen Buddyteams unternehmen und mein Buddy, ein 21 jähriger Chilenese, hat es zu Hause nicht weit zur Karibik und hat mir trotz seiner 30 Tauchgänge einiges an Haitauchgängen vorraus. Ich frage mich, was mich dort unten so erwartet, drücke die Daumen und springe mit ihm ins Wasser. Wir gehen 20m tief, folgen den Riffformationen die unterhalb dieser Tiefe nur in uninteressanten Sand übergehen und schauen in alle Richtungen, ich für meinen Teil häufig ins ungewisse Blaue. Wir sehen Napoleonfische, eine Muräne und allerlei Kleinfisch, bevor wir langsam wieder umkehren müssen. Ich bin persönlich ein wenig enttäuscht über die Korallen, diese liegen stellenweise grau und tot über- und nebeneinander, das GBR scheint von etwas ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden zu sein. Ich hänge also träge meinen Gedanken hinterher und schaue mich nach meinem Buddy um, als ich aus dem Augenwinkel eine längliche Bewegung wahrnehme, die ich so noch nicht auf diesem Tauchgang gesehen habe. Ich schaue genauer hin und entdecke 10m unter uns meinen ersten Weißspitzenriffhai, der gemächlich aber zielgerichtet an der Riff-Sandkante seinem Wege folgt. Ich bewege mich kaum und versuche nur noch, soviel von diesem kurzen Augenblick einzufangen, wie es mir möglich ist, bevor er wieder ins undurchsichtige Blau verschwindet. Ich tauche mit einem riesen Grinsen auf und freue mich, nun tatsächlich meinen ersten Hai gesehen zu haben. 4 Stunden später erhalten wir unser Briefing für den ersten Nachttauchgang, der uns in flachen 6m durch das fast undurchdringliche Labyrinth des Riffs führt. In unserem Lampenschein jagen Rotbrassen die erleuchtete Beute und ich suche hinter jeder Steinecke meinen zweiten Riffhai. Ich erhasche sogar einen kurzen Blick auf eine verdächtige Schwanzflosse, die aber so schnell zwischen den Steinen verschwindet, dass ich sie nichts Spezifischem zuordnen kann. Erst als wir das flache Rifflabyrinth verlassen, uns an der Sandkante entlangbewegen und unser Lampenschein die Dunkelheit spotartig erhellt, löst sich der Schemen des 2. Weißspitzenriffhais aus dem Schatten und schwimmt seelenruhig aber zielbestimmt an mir vorbei, um seine Ruhe in der Dunkelheit zu suchen.

So geht mein „Haitag“ zu Ende und geht nahtlos in den „Schildkrötentag“ über, der nächsten Morgen beginnen sollte. Bei jedem der nächsten 4 stattfindenden Tauchgänge am - aufgrund des schlechter werdenden Wetter – selben Tauchplatz, kreuzten uns große Schildkröten, die wir beim Fressen oder Vorbeischwimmen zusehen konnten. Sie ließen sich dabei so wenig stören, dass ich auf Reichweite heranschwimmen konnte, ihrem Hals beim Schlucken ihrer Nahrung zusah und zur Verabschiedung über den Panzer streichelte. Der Nachttauchgang offenbarte uns die Schildkröten beim Schlafen, einer geweckten Schildkröte mussten wir sogar mit der Lampe den Weg zur Oberfläche weisen. Ich muss zugeben, nicht zu wissen, was in der Dunkelheit hinter dem Lampenschein lauert ist hier doch etwas bedrückend und ein anderes Gefühl als im heimischen See.

Das Ende der GBR Tour ist schnell erzählt, machte das Wetter uns doch einen Strich durch die restlichen Tauchgänge. Noch am selben Abend frischte der Wind auf, peitschte die Wellen zu hoch, sodass unsere Befestigung zum Grund riss und wir auf das Riff getrieben sind. Der zerstörte Motor machte uns manovrierunfähig und zum Spielball der Wellen, bis wir auf dem Riff aufgesetzt sind. Kein Leck, aber dennoch zuviel Schaden (am Riff und Boot) und eine unruhige Nacht mussten wir in Kauf nehmen, bevor wir am nächsten Tag evakuiert werden konnten. Als Entschädigung gings zwei Tage später bei bestem Wetter und klarem Wasser für zwei weitere Tauchgänge ans GBR, meine Arbeit auf dem Tauchboot musste ich dann aber verabschieden.

3 Wochen später und 1900km weiter südlich komme ich in Byron Bay an, diesem Ort vorgelagert liegt Julian Rocks, ein Meeresnaturschutzgebiet in dem man zur Zeit normalerweise Leopardenhaie und manchmal Mantas sehen könnte. Da ich mich und mein Glück kenne, schraube ich meine Erwartungen herunter und springe frohen Mutes aber ohne konkrete Vorstellungen für den ersten Tg von Bord. Während ich auf meinen Buddy warte, tauche ich an der Oberfläche meinen Kopf ins Wasser und sehe 6m unter mir den ersten Leopardenhai seine Bahnen ziehen. Mit dieser freudigen Überraschung nähern wir uns gemeinsam dem Grund und es dauerte nicht lange, bis wir den ersten Wobbegong Hai am Grund liegen sehen. Aufgeregt zeige ich ihn meinem Buddy, der mir 20m weiter einen Weiteren zeigt. Direkt neben diesem fällt mir ein weiterer versteckter Schatten auf, der sich als der dritte Wobbegong Hai entpuppt. Nun hören wir mit dem Zählen auf, es sind einfach zu viele. Weitere Leopardenhai kreuzen unseren Weg und im weiten Blau sehen wir die Konturen zweier Adlerrochen, bis wir auf 18m Tiefe das Ziel unseres Tgs erreichen. Das Zackenbarsch-Loch, durch das man auf 22m Tiefe durchtauchen kann. Gefüllt mit allerlei rotem Fisch, kommen wir auf der anderen Seite an, als zwei prächtige, kreisrunde Bullenrochen das Loch verdunkeln und über uns hinweg ziehen. Mit diesen Eindrücken geht es langsam zurück Richtung Boot. Als hätte ich nicht genug damit zu tun, all dies zu verarbeiten, traue ich meinen Augen kaum, als sich aus dem Blau langsam eine aus Filmen bekannte Silhouette herausschält und meinen ersten Manta frei gibt. Dieses zwar relativ kleine Exemplar (vlt. 1,2m) zeigt aber schon eine bemerkenswert große Haibisswunde im rechten Flügel, die Beweis genug für mich ist, dass es in diesen Gewässern auch andere Gattungen als die harmlosen Leoparden- oder Sandtigerhaie gibt. Von uns ist der Manta aber unbeeindruckt und zieht langsam seine Kreise, lässt sich von den Putzerfischen reinigen und zeigt sich uns stolz von allen Seiten. Fast schon unwirklich wende ich mich von diesem Bild ab, nur um direkt hinter mir 3 Leopardenhaie gleichzeitig zu sehen, die sich vor einer Felswand tummeln. Ich beende diesen Tauchgang mit einem Grinsen über beide Ohren und freue mich auf den zweiten, der an einem etwas anderen Ort stattfinden wird. So unglaublich es klingt, bei diesem sehen wir noch viel mehr Leopardenhaie, bis zu 9 (!!) Stück gleichzeitig. Am Boden im Sand liegend, mitten im Wasser oder sogar relativ nahe an der Oberfläche, alles auf einer max. Tiefe von 10 Metern. Eine Schildkröte gleitet träge und tiefenentspannt auf mich zu und nimmt mich nicht als Hindernis oder Gefahr wahr, sodass sie, nachdem ich mich überhaupt nicht bewege, mit mir kollidiert und irritiert aus ihrem Tagtraum erwacht. Beim Sicherheitsstopp dieses Tauchganges beobachten wir meinen 2. Manta, diesmal ein größeres Exemplar. Wieder ist er scheinbar an seiner Putzstation, dreht seine Kreise und Pirouetten und schwimmt direkt unter uns her. So schnell sind noch nie 5 min herumgegangen. Das sind nur wenige Begegnungen von denen, die ich erlebt habe und die sich mir für immer ins Hirn brennen sollten.

Für einen kurzen Zwischenstop und einen Strandtauchgang hat mein Aufenthalt in Port Stephens gereicht, 630 weitere Kilometer südlich. Zwischen Steinfischen, „Blindsharks“, einer Schildkröte und allerlei anderem Getier tauchten wir in der Gegend, die für Delfin- und Buckwalsichtungen bekannt ist. Leider bin ich hier zur falschen Jahreszeit, die Buckelwale bleiben mir verwehrt. Nach Ende des Tauchganges schrauben wir unser Gerät auseinander und ich sehe mich meiner ersten und einzigen Delfinbegegnung gegenüber. Genau dort, wo wir vor 10 min aufgetaucht sind, ziehen jetzt ein Muttertier und ihr Kleines ihre Bahnen. Was wir wohl noch so alles NICHT unter Wasser gesehen haben?

Nur noch 200km und ich erreiche mein Ziel, Sydney. Auch hier springe ich für 2 Tauchgänge ins Wasser, um am Magic Point endlich mit Sandtigerhaien zu tauchen, die ich an anderen Tauchplätzen immer verpasst habe. Das Wetter spielt tatsächlich mit, sodass der angepeilte Tauchplatz angefahren werden kann und wir an dem berüchtigten Platz die Sandtigerhaie zu sehen bekommen. Diese nun wirklich nach Haien aussehenden Haie, scheinen unter einem riesen Felsvorsprung vor einer Sandfläche ihre Mittagspause abzuhalten und nicht im Jagdmodus zu sein. 9 Exemplare von ihnen, bis zu 2m groß, lassen sich in aller Ruhe aus einer Entfernung von 5-6m von uns beobachten.

Nun bin ich am Ende meiner Reise und auch des Berichtes angekommen, habe endlich meine ersten Haitauchgänge gemacht und habe euch hoffentlich einige schöne Erinnerungsfetzen im Gegenzug zu eurer aufgebrachten Zeit fürs Lesen mitteilen können. Solltet ihr auch interessiert sein an außertaucherischen Erlebnissen, sprecht mich an und ich teile euch meinen Australienblog mit.
Autor: Oliver Reimer
Fotos: Oliver Reimer